Hier ein Überblick über das Programm der schwarz/blauen Regierung, das aus der Feder der Industriellenvereinigung stammt und in jeder Hinsicht pro EU-europäisch ist.

1. Austeritätspolitik und Sozialabbau
2. Angriff auf Arbeitsrechte/Ausweitung des Niedriglohnsektors
3. Verschärfung des Bildungsprivilegs
4. Steigende Wohnungskosten
5. Mitmarschieren bei EU-Militarisierung/Angriff auf Neutralität
6. Entdemokratisierung
7. Ausbau des Überwachungsstaates
8. Durchsetzung neoliberaler EU-Handelsverträge
9. Fluchtursachen schaffen, Flüchtlinge bekämpfen
10. Rückwärtsgewandte Umwelt- und Verkehrspolitik

11. Fazit

Überblick über das Programm der VP/FP-Regierung

1. Austeritätspolitik und Sozialabbau

  • fiskalpakt demo 2Die „Schuldenbremse“ soll in die Verfassung kommen. Das entspricht einer direkten Vorgabe des EU-Fiskalpakts, wo es wörtlich heißt, die Vertragsparteien sind verpflichtet, „die Regel des ausgeglichenen Haushaltsdurch verbindliche und dauerhafte Bestimmungen, die vorzugsweise Verfassungsrang besitzen, in ihren einzelstaatlichen Rechtsordnungen zu verankern.“ De facto ist es keine Schuldenbremse, sondern eine Sozialstaats-, Investitions- und Demokratiebremse, die die gewählten Parlamente in ihrem „Königsrecht“, dem Budgetrecht, entmündigt und an die Leine einer neoliberalen EU-Technokratie hängt.
  • Steuer-/Abgabenpolitik
    • Senkung der Steuer- und Abgabenquote von 43% auf 40% (rd. minus 12 Milliarden) zieht entsprechende Leistungskürzungen nach sich (Regierungsprogramm: „Die Finanzierung dieser Entlastungen und der dazu nötigen Maßnahmen soll durch ausgabenseitige Einsparungen und Strukturreformen erfolgen“)
    • Senkung von Sozialversicherungsbeiträgen (Regierungsprogramm: „Deutliche Senkung der Lohnnebenkosten“, sh. Sozialversicherung)
    • Senkung der Körperschaftssteuer (Gewinnsteuer von Kapitalgesellschaften und anderen juristischen Personen). Diese wurden 2005 bereits von 34% auf 25% gesenkt. Die Industriellenvereinigung fordert sie Senkung der KÖST auf nicht-entnommene Gewinne auf 12,5%.
    • Abschaffung der „kalten Progression“ in der Lohn- und Einkommenssteuer
    • Familienbonus: Für jedes Kind sollen 1.500 Euro von der Steuer abgesetzt werden können, was aber voraussetzt, dass eine entsprechende Steuerleistung vorliegt. De facto entspricht das vor allem einer Förderung der Besserverdienenden.
    • Senkung des Umsatzsteuersatzes für Übernachtungen von 13% auf 10%
  • Sozialversicherung
    Angriff auf die Selbstverwaltung: Zusammenlegung der SV-Träger (auf max. fünf): Durch diese Zentralisierung will sich die Bundesregierung einen direkten Zugriff auf die Sozialversicherung verschaffen und die Selbstverwaltung unterlaufen. Damit drohen Leistungssenkungen für die Versicherten (Nivellierung nach unten) und schrittweise Privatisierung. Durch die Verlagerung der Einhebung der SV-Abgaben auf die Finanzämter drohen Verschlechterungen zu Lasten der ArbeitnehmerInnen, da die Sozialversicherung nach dem "Anspruchsprinzip" prüft (d.h. auch kontrolliert, ob der Arbeitnehmer im richtigen Kollektivvertrag ist und Überstunden, Weihnachts- oder Urlaubsgeld korrekt ausbezahlt werden).
    Gesundheit: Die aufgrund des EU-Fiskalpakts beschlossene „Deckelung“ der Gesundheitsausgaben („Gesundheitsreformen“ 2013, 2017) droht zu weiteren Kürzungen im Gesundheitsbereich und damit zur Verschärfung der Zwei-Klassen-Medizin zu führen:
    Unfallversicherung (AUVA): Regierungsprogramm: „Reform der AUVA und ggf. Überführung in die Kranken- und Pensionsversicherung“. Erster Schritt: Reduktion des UV-Beitrags von 1,3% auf 0,8%, Einsparvolumen: 500 Millionen Euro. Die AUVA verliert also fast 40% ihrer Einnahmen, des Weiteren droht die völlige Auflösung. Die Ersparnis liegt ausschließlich auf Seiten der Dienstgeber, bei den Arbeitenden werden dagegen eine halbe Milliarde bei der Behandlung von und Vorbeugung vor Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten gekürzt.
    • Überprüft werden soll die Verringerung bzw. Streichung der Zahlungen des FLAF an die Krankenversicherung
    Arbeitslosenversicherung: Absenkung des AlV-Beitrags bei unteren Einkommen. Jene 700.000 GeringverdienerInnen, die keinen AlV-Beitrag zahlen, haben davon einerseits nichts, zugleich kommt es zu Leistungsverschlechterungen in der Arbeitslosenversicherung, die gerade die unteren sozialen Gruppen massiv treffen, da diese am häufigsten von Arbeitslosigkeit betroffen sind, sh. Punkt 2.2.). Insgesamt wird damit immer stärker versucht, Versicherungsleistungen, auf die ein Rechtsanspruch besteht, in Almosenleistungen umzuwandeln.
    Pensionen: Auch hier werden die Anschläge auf die soziale Altersversicherung der Vorgängerregierungen fortgesetzt:
    • Im Regierungsprogramm heißt es: „Kassasturz beim faktischen Pensionsantrittsalter unter Einbindung internationaler Experten“. Die Forderung nach Anhebung des Pensionsantrittsalters wird von der EU-Kommission im Jahresrhythmus gegenüber Österreich erhoben. Die ÖVP-Forderung nach einer sog. „Pensionsautomatik“ (automatische Koppelung des Pensionsantrittsalters an die Lebenserwartung) könnte damit bald wieder aufs Tapet kommen.
    Anhebung des Antrittsalters für die Altersteilzeit auf 55 bzw. 60 Jahre (derzeit 53 bis 58 Jahre)
    Abschaffung des Berufsschutzes in der Invaliditätspension; dieser soll durch einen Entgeltschutz in Form einer Teilpension ersetzt werden.
    • Für Menschen, die in die Korridorpension gehen wollen (über 62 Jahre und 40 Versicherungsjahre) sollen nur mehr maximal zwei Jahre Arbeitslosigkeit für die Pension angerechnet werden. Gerade in Branchen mit hoher saisonaler Arbeitslosigkeit führt das zu deutlichen Pensionskürzungen.
    Absenken der Pension, wenn Notstandshilfe abgeschafft würde (sh. 2.2.), da NotstandshilfebezieherInnen pensionsversichert sind, MindestleistungsbezieherInnen jedoch nicht.
    • Die Abschaffung des Pensionsversicherungsbeitrags ab Erreichen des Pensionsantrittsalters führt bei den Betroffenen zwar zu höheren Nettoeinkommen, bedeutet zugleich aber spürbare Einnahmenverluste für die sozialen Pensionskassen (bis zu 300 Millionen).
    Private und betriebliche Pensionsvorsorge soll steuerlich gestützt werden.
    • Dass die Ausgleichszulage für Menschen mit 40 Beitragsjahren (also 480 Monate ohne Zeiten der Krankheit, des Präsenzdienstes, der Arbeitslosigkeit oder der Kinderbetreuung) auf 1.200 Euro (1.500,- mit PartnerIn) angehoben wird, ist grundsätzlich erfreulich und doch zugleich eine Augenauswischerei. Denn nur wenige erreichen das (2016: Männer durchschnittlich 415 Beitragsmonate, Frauen 318). Und die, die es erreichen, haben in der Regel ohnehin eine deutlich höhere Pension.

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2. Angriff auf Arbeitsrechte/Ausweitung des Niedriglohnsektors

  • Arbeitszeit:
    Die tägliche Höchstarbeitszeit soll auf 12h, die wöchentliche auf 60h erhöht – das war zwar auch bisher möglich, jedoch nur in Ausnahmefällen und mit Zustimmung von Branchengewerkschaft und Betriebsrat (und bei Betrieben ohne Betriebsrat mit zwei Gutachten, die die arbeitsmedizinische Unbedenklichkeit attestierten). Nun droht das zum Regelfall zu werden (Verlagerung der Entscheidung auf betriebliche Ebene bzw. wo keine Betriebsrat als Einzelvereinbarung ohne arbeitsmedizinische Gutachten)
    Anhebung der täglichen Arbeitszeithöchstgrenze bei Gleitzeit auf 12 Stunden
    • Mehrmalige Übertragungsmöglichkeit von Zeitguthaben und Zeitschulden in den jeweils nächsten Durchrechnungszeitraum durch Kollektivvertrag (was zu einem entsprechenden Entfall von Überstundenzuschlägen führt)
    Reduktion der Ruhezeiten im Tourismus und Gastgewerbe von 11 auf 8h zwischen zwei Diensten
    Einschränkung der Wochenend- bzw. Sonntagsruhe (Ausnahmen von der Sonntags- und Feiertagsruhe auf betrieblicher Ebene soll 4-mal im Jahr möglich werden)

    • Fazit: Schwächung der Arbeitnehmerseite bzw. Gewerkschaft, da die Gestaltung der Arbeitsverhältnisse zunehmend kollektiven Regelungen entzogen wird. Damit drohen die Beeinträchtigung der Gesundheit und – in Abhängigkeit von den Durchrechnungszeiträumen – der Entfall von Überstundenzuschlägen.
  • Angriff auf Arbeitslose und Arme – Etablierung eine Niedriglohnsektors
  •  Arbeitslosengeld/Notstandshilfe:
    • Degressives Arbeitslosengeld (nimmt mit Bezugsdauer ab)
    Abschaffung der Notstandshilfe; das heißt de facto Hartz VI, d.h. Langzeitarbeitslose fallen in die Bedarfsorientierte Mindestsicherung (BMS) (nach Regierungsdiktion die sog. „Durchschummler“). Das hat mehrere fatale Folgen: die Mindestsicherung ist nicht nur niedriger, es erfolgt ein Eingriff in das Privatvermögen - alles über 4.189,- muss aufgebraucht werden. Im Fall von Häusern oder Eigentumswohnungen gilt, dass diese zwar nicht sofort verkauft werden müssen, aber nach einer sechsmonatigen Schonfrist kann sich die Behörde ins Grundbuch eintragen lassen. Nach dem Tod der Person müssen die ErbInnen die ausbezahlte Mindestsicherung zurückzahlen. Der Grundbucheintrag dient zur Absicherung dieser Forderung – und um die ErbInnen bei Bedarf zu zwingen, Haus oder Wohnung zu verkaufen. Des weiteren soll ein Arbeitsdienst für MindestsicherungsbezieherInnen vorgeschrieben werden (bei Verweigerung droht Kürzung bzw. Streichung der BMS); außerdem sind BMS-BezieherInnen – im Unterschied zu NH-BezieherInnen - nicht pensionsversichert. Derzeit gibt es in Österreich rd. 160.000 NH-BezieherInnen.
    • 
    Verschärfung der Zumutbarkeitsbestimmungen beim ALG und NH:
    > Ausweitung der zumutbaren Wegzeiten von eineinhalb Stunden auf zwei Stunden für die Hin- und Rückfahrt bei einer Teilzeitbeschäftigung und von zwei auf zweieinhalb Stunden bei einer Vollzeitbeschäftigung
    > „Überprüfung“ des Berufsschutzes bzw. Entgeltschutzes 

    • Weitere Verschlechterungen für Arbeitslose:
    > Verschärfung der Sanktionen für Arbeitslose (insbesondere Sperrfristen)
    > Keine Verlängerung des Arbeitslosengeldbezugs durch Krankenstände außer bei stationären Aufnahmen 
    > Einschränkung bzw. Abschaffung der Möglichkeit einer Geringfügige Beschäftigung zusätzlich zu ALG bzw. NH 
    > Kürzungen im Bereich der Aktiven Arbeitsmarktpolitik

mindestsicherung obdachlose

  • Bedarfsorientierten Mindestsicherung (BMS):
    • Für anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte soll die BMS auf 365,- gesenkt werden, plus 155,- „Integrationsbonus“ (OÖ-Modell) – Wer kann davon leben?
    • Anspruch auf BMS in Österreich setzt voraus, in den  vergangenen sechs Jahren mindestens fünf Jahre legal in Österreich gelebt zu haben
    • Deckelung der BMS auf 1.500,- pro Familie unabhängig von der Anzahl der Kinder
    • Drohung mit dem Entzug der Aufenthaltsbewilligung gegenüber ausländischen MindestleistungsbezieherInnen
    • Wachsende Willkür bei der Vergabe von Sozialleistungen (z.B.: Bindung der Sozialleistungen an die Einhaltung von (schul)gesetzlichen Verpflichtungen“)

  • Erhöhung des Konkurrenzdrucks am Arbeitsmarkt:
    • Während die Grenzen für Menschen, die vor Verfolgung und Krieg flüchten, dicht gemacht werden, werden die Arbeitenden durch die Liberalisierung der Arbeitsmärkte in der EU in eine grenzenlose Konkurrenz gegeneinander gehetzt. Die Folgen: Brain-Drain in den Ländern der Peripherie, Lohndumping in den Zuwandererstaaten. Diese Politik wird unter schwarz-blau weiter verschärft: So soll die Zuwandererquote von Nicht-EU-BürgerInnen in den österreichischen Arbeitsmarkt („Regionalisierte Mangelberufsliste“) ausgeweitet werden. Gerade mit dem im Herbst 2017 in Kraft getretenen EU-Ukraine-Assoziierungsabkommen öffnen sich dadurch neue Möglichkeiten, die osteuropäische Peripherie ökonomisch ausbluten zu lassen und den Druck auf die ArbeitnehmerInnen am österreichischen Arbeitsmarkt zu erhöhen.
    • Einschränkung des Gesetzes gegen Lohndumping auf den Grundlohn - nicht bezahlte Überstunden würde dann z.B. nicht mehr unter strafbares Lohn- und Sozialdumping fallen
    • Einschränkung der Befugnisse von Arbeitsinspektoraten (nur mehr Beratung, keine Sanktionen)

• Resümee: Die Maßnahmen in diesem Kapitel lesen sich wie die Umsetzung der „Empfehlungen“ des Labour-Markt-Development-Report der Generaldirektion Wirtschaft und Finanzen der EU-Kommission (2012). In diesem Bericht fordert die Kommission die Flexibilisierung der Arbeitsverhältnisse, die Senkung der Sozialversicherungsleistungen, Reduktion von Überstundenzuschlägen, Kürzung der Arbeitslosenunterstützung, Abbau von kollektivvertraglichen Regelungen, usw.- mit dem deklarierten Ziel „Schwächung der gewerkschaftlichen Verhandlungsmacht“. Überall dort, wo die EU-Institutionen direkten Zugriff auf die nationale Wirtschafts- und Sozialpolitik bekommen haben (über den „EU-Rettungsschirm), wir genau diese Politik betrieben: Sozialabbau, Abbau von Arbeitsrechten, Niedriglohnsektor, Brechung gewerkschaftlicher Macht.

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3. Verschärfung des Bildungsprivilegs

bildungsdemo 4

  • Tertiärer Bereich/Hochschulen:
    • Wiedereinführung von Studiengebühren (in Diskussion sind rd. 1.000 Euro im Jahr bzw. 2.000 Euro für Nicht-EU-BürgerInnen). Der private Finanzierungsanteil im tertiären Bereich soll auf OECD-Schnitt (0,5% des BIP) erhöht werden (gemessen an der derzeitigen Situation müssten sich die privaten Mittel verdoppeln!)
    • Maßnahmen zur zwangsweisen Exmatrikulation von Studierenden (Festlegung maximal zulässiger Studiendauern, Abmeldepflicht bei Inaktivität, Reduzierung der Anzahl der Prüfungstermine und Prüfungswiederholungsmöglichkeiten, Weitere
    • Zulassungsbeschränkungen für das Studieren: Bestimmungen für die ersten Semester inklusive Erreichen einer bestimmten Anzahl von ECTS)
    • „Strukturreform“, die zum Auflassen von Hochschulstandorten führen kann

  • Primar- und Sekundarstufe:
    • Auflösung von Schulsprengeln (damit droht eine weitere Ghettobildung im Schulbereich)
    • Wiedereinführung von Eingangsverfahren (also von Aufnahmeprüfungen) für die höheren Schulen (AHS, MBHS) 
    • Stärkung des Sonderschulwesens
    • Einrichtung von Schulen für besonders begabte Schülerinnen und Schüler (z.B. Sir-Karl-Popper-Schule) in allen Bundesländern
    • Verfestigung des „differenzierten Schulsystems“, also der frühen Selektion nach der Volksschule.

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Foto: Max Werdenigg

4. Steigende Wohnungskosten

  • Einschränkung des sozialen Wohnbaus auf die Ärmsten; alle anderen sollen in den privaten Wohnungsmarkt gedrängt werden. Das entspricht einer Forderung, die von der EU-Kommission wiederholt gegenüber Mitgliedsstaaten im Zuge des „Europäischen Semesters“ erhoben wurde, da die EU-Kommission einen breit angelegten sozialen Wohnbau als „EU-wettbewerbswidrig“ interpretiert.

  • Deregulierung des Wohnungsmarktes mit dem Ziel „marktkonformer Mieten“
    • Aufhebung des Verbots des Lagezuschlages (das könnte insbesondere bei den „Gründerzeitvierteln“ in Wien innerhalb des Gürtels zu einem massiven Mietpreisanstieg führen. Lt. Schätzungen der AK sind 95.000 Wohnungen betroffen.)
    • Einschränkung des Eintrittsrechts von haushaltsnahen Personen in alte, günstigere Mietverträge: Wenn der/die HauptmieterIn stirbt, können die Familienmitglieder bisher den Mietvertrag übernehmen – zu derselben oder nur gering erhöhter Miete. Schwarz-Blau will das nur noch Ehe- und eingetragenen PartnerInnen sowie Kindern bis 25 erlauben. Ältere Kinder, Enkel oder Geschwister würden den Schutz verlieren

5. Mitmarschieren bei EU-Militarisierung/Angriff auf Neutralität

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  • Die ÖVP-FPÖ-Regierung setzt nahtlos die Politik der Neutralitätsdemontage ihrer rot-schwarzen Vorgängerregierung fort: Teilnahme an der „Ständig Strukturieren Zusammenarbeit" (EU-SSZ). Das heißt u.a.: Verpflichtung zu ständigen Erhöhung des Militärbudgets, zu Teilnahme an EU-Militärmissionen und zur Überprüfung/Abschaffung von „Parlamentsvorbehalten“ beim Kriegseinsätzen im Ausland. Die Mitglieder der EU-SSZ stehen dabei unter ständiger Kontrolle der EU-Rüstungsagentur. Die EU-SSZ ist ein weiterer Schritt in Richtung einer EU-Armee unter zentralem Brüsseler Kommando (zur Einbindung Österreichs in die aktuellen EU-SSZ-Projekten siehe hier).
  • Aufstockung für militärische Auslandseinsätze „entsprechend den strategischen Interessen der Republik“ (siehe dazu die neue österreichische Sicherheitsstrategie, die 2013 von SPÖ, ÖVP und FPÖ beschlossen wurde).
  • Verstärkte Teilnahme an der Militarisierung der EU-Außengrenzen (Frontex)
  • Deutliche Erhöhung des Militärbudgets um 1,4 Milliarden. Das EU-Parlament hat im Frühjahr 2017 – mit den Stimmen der VertreterInnen von ÖVP und SPÖ! - von den EU-Mitgliedsstaaten die Erhöhung der Militärausgaben auf zumindest 2% des BIP gefordert. Für Österreich hieße das eine Verdreifachung der Militärausgaben.
  • Weitere Militarisierung der Wissenschaft: „Kooperation bei Ausbildung, Beschaffung, Entwicklung, Betrieb sowie Verteidigungs- und Sicherheitsforschung im Rahmen der EU“; „Ausbau einer koordinierten Sicherheits- und Verteidigungsforschung“. Die Forderung, die Hochschulen für die Rüstungsindustrie nutzbar zu machen, gehört seit dem EU-Gipfel im Dezember 2013 zum EU-Standardrepertoire. 2017 wurde auch die Einrichtung eines eigenen EU-Rüstungsforschungsfonds beschlossen, um Hochschulkapazitäten verstärkt an den Militärisch-Industriellen-Komplex anzubinden.

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6. Entdemokratisierung

  • Viele der obigen Punkte sind auch massive Angriffe auf die Demokratie, z.B.: 
    • die „Schuldenbremse“ in Verfassungsrang, da dadurch das Budgetrecht des Parlaments ausgehebelt wird
    • der Angriff auf die Selbstverwaltung in der Sozialversicherung
    • die Zurückdrängung der gewerkschaftlichen Mitbestimmungsmöglichkeiten im kollektiven Arbeitsrecht
    • Außerdem plant die Regierung ein Standortentwicklungsgesetz, durch das das „Bekenntnis zu einem wettbewerbsfähigen Wirtschaftsstandort“ zur Staatszielbestimmung erklärt werden soll. Damit dringen die neoliberalen Verpflichtungen des EU-Primärrechts (Verpflichtung der EU-Staaten zu einer „offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb“) erstmals direkt in die österreichische Verfassung ein. Des Weiteren sollen die Möglichkeiten Interessensvertretungen und Bürgerinitiativen eingeschränkt werden:

  • Einschränkung der Beteiligungsrechte der Öffentlichkeit in UVP-Verfahren („Beschleunigung der UVP-Verfahren“, Einrichtung eines „Standortanwalts“, uvm.).

  •  Angriff auf Interessensvertretungen:
    • Reduktion der Mitgliedsbeiträge für Arbeiter- und Wirtschaftskammer, was zu einem empfindlichen Einschnitt in die Möglichkeiten der Interessensvertretung insbesondere der ArbeitnehmerInnen führt.
    • Abschaffung der Jugendvertrauensräte in den Betrieben (Lehrlinge haben dann keine eigenständige Interessensvertretung mehr).

    • Der Österreichischen Hochschülerschaft soll das „Allgemeinpolitische Mandat“ abgesprochen werden. Um eine „Missachtung der Vorgaben zu verhindern“, sollen „Kontroll- und Sanktionsmöglichkeiten gegenüber der ÖH“ ausgeweitet werden. Das kommt einem politischen Maulkorb für die Interessensvertretung der Studierenden gleich.

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7. Ausbau des Überwachungsstaates

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  • Umsetzung der EU-Antiterror-Richtlinie durch verschärfte Überwachung und Bespitzelung der BürgerInnen, z.B.:
    • Investitionen in neue Überwachungstechnologien wie Gesichtserkennung, Drohnen und Big-Data-Analysen
    • Neuauflage des Überwachungstrojaners, also die Installierung von Spionagesoftware auf Smartphones und Computern
    Vorratsdatenspeicherung „light“ (Quick Freeze), bei der die Daten auf einfache Anordnung der Staatsanwaltschaft vom Provider gespeichert und später mit richterlicher Genehmigung beauskunftet werden sollen
    • Intensivieren der (internationalen) sicherheitspolizeilichen Zusammenarbeit und des Datenaustausches und der Datenverarbeitung
  • Projekt „Gläserne/r Bürger/in“: Alle Datenbestände von Sozial-, Finanz- und Sicherheitsbehörden sollen zentralisiert werden. Vorgesehen ist außerdem eine digitale „durchgehende Bildungs- und Leistungsdokumentation für jede Schülerin und jeden Schüler“ vom Kindergarten bis zum Ende der Schulausbildung. Diese digitale Dokumentation setzt sich dann bei Erwachsenen in Form der „Austrian Digital Academy“ fort.

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8. Durchsetzung neoliberaler EU-Freihandelsverträge

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  • Grundsätzliches Bekenntnis zum globalen Freihandel im Allgemeinen und zu den EU-Freihandelsabkommen im Besonderen

    Ratifizierung von CETA (EU-Kanada-Freihandelsabkommen), das Konzernen die Möglichkeit gibt, Staaten zu verklagen, wenn sie ihre Profite durch Sozial- oder Umweltauflagen gefährdet sehen. (Dafür wird in diesem Abkommen ein eigener Investitionsgerichtshof eingerichtet.) Die große Mehrheit der ÖsterreicherInnen, die dieses neoliberale Freihandelsabkommen ablehnt, wird damit im Verbund von alter und neuer Regierung über den Tisch gezogen: SPÖ-Kanzler Kern fiel in Brüssel um, die FPÖ im Augenblick des Regierungseintritts.

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9. Fluchtursachen schaffen, Flüchtlinge bekämpfen

  • Volles Bekenntnis zur bisherigen EU-Politik, die Fluchtursachen schafft (neoliberale Freihandelsverträge, Unterstützung von Militärinterventionismus und „Regime-Change“-Politik) und zugleich Flüchtlinge bekämpft (Frontex, Militarisierung der EU-Außengrenzen). Im Asylbereich sollen zu den Verschärfungen der Vorgängerregierung weitere Schikanen kommen, z.B.:

    • Massenlager für AsylwerberInnen, keine individuelle Unterbringung mehr
    • Keine „aufenthaltsverfestigenden Maßnahmen“ bis zum Abschluss des Asylverfahrens außer Deutschkurse für Asylwerber „mit hoher Anerkennungswahrscheinlichkeit“ (d.h. auch z.B. keine Ausbildungsmöglichkeiten für jugendliche AsylwerberInnen)
    • AsylwerberInnen soll das Bargeld abgenommen werden
    • Schutzsuchende müssen bei der Einreise nach Österreich den Behörden künftig Zugriff auf ihr Mobiltelefon und ihre Social-Media-Accounts gewähren.
    • Das ohnehin minimale Taschengeld von 40 Euro pro Monat im Rahmen der Grundversorgung soll gänzlich gestrichen werden. 

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10. Rückwärtsgewandte Umwelt- und Verkehrspolitik

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  • • Erhöhung der Höchstgeschwindigkeit auf Autobahnen
    • Auf Autobahnen soll der Pannenstreifen zur Kapazitätserhöhung genutzt werden
    • Verschärfung der Liberalisierung im Eisenbahnbereich gemäß EU-Liberalisierungsrichtlinien (Regierungsprogramm: „Entwicklung eines Maßnahmenplanes zur schrittweisen Einführung wettbewerblicher Vergabeverfahren für gemeinwirtschaftliche Personenverkehrsleistungen“). Das wird die EU-Kommission freuen, die Österreich bereits wegen eine mangelnden Umsetzung der Eisenbahnliberalisierung geklagt hat.
    • Aushebelung von Beteiligungsrechten der Öffentlichkeit bei Großprojekten (sh. Entdemokratisierung)
    • Umsetzung der „Road Map Luftfahrt 2020“, mit der die Liberalisierung des Flugverkehrs und der Ausbau der Infrastrukturen (z.B. 3. Piste am Flughafen Wien) gefördert werden soll.


Fazit:

(1) Dieses Programm stammt aus der Feder der Industriellenvereinigung. Dieses Programm ist die Folge und dient der weiteren Durchsetzung 

des neoliberalen EU-Konkurrenzregimes, das im Interesse der großen Konzerne im Inneren den Freiraum für eine demokratische Wirtschafts- und Sozialpolitik erdrosselt und nach außen aggressive Freihandelspolitik betreibt
der Unterordnung unter eine zunehmend militarisierten EU-Großmachtspolitik, die mit Neutralitäts- und Friedenspolitik völlig unverträglich ist
• der Aushebelung demokratischer Selbstbestimmung in den Mitgliedsstaaten zugunsten einer demokratisch weitgehend unbelangbaren und von Industrielobbys beherrschten EU-Technokratie.

(2) Schwarz-blau setzt vielfach fort bzw. radikalisiert, was unter rot-schwarz begonnen oder angedacht wurde (12-Stundentag, EU-SSZ, CETA, Pensionsabbau, Gesundheitsdeckel, uvm.). Schwarz-blau will in Österreich das durchsetzen, was etwa in der BRD durch eine rot-grüne-Regierung (Hartz IV) oder in Frankreich von sozialliberalen Regierungen (60-Stundenwoche) verwirklicht wurde bzw. wird, um im Rahmen des EU-Konkurrenzregimes „Standortpolitik“ für die Konzerne zu machen. Kein Wunder, dass EU-Kommissionspräsident von der „pro-europäischen Regierung“ Kurz-Strache schwärmt.

(3) Diese Unterordnung unter dieses EU-Regime (vom Vertrag von Maastricht bis zum Lissabon-Vertrag, vom EU-Fiskalpakt bis zum ESM, von den EU-Battlegroups bis zur EU-SSZ) ist durch die Führungen von SPÖ, Grünen- und ÖGB erst möglich gemacht worden. Dass sie diese Unterordnung oftmals damit rechtfertigten, dadurch den Aufstieg des Rechtsextremismus verhindern zu wollen, entpuppt sich nun endgültig als katastrophaler politischer Fehler. Die Unterordnung unter das neoliberale EU-Regime hat den Aufstieg der extremen Rechten nicht verhindert, sondern befeuert. Der Aufstieg der extremen Rechten ist Folge und dient der weiteren Durchsetzung des in den EU-Verträgen einzementierten Sozialdarwinismus – nach innen wie nach außen. 


(4) Wer gegen diese Regierung der Industriellenvereinigung kämpfen will, darf vom EU-Regime nicht schweigen! Der Bruch mit dem EU-Regime und die (Wieder-)Erringung eines unabhängigen und selbstbestimmten Österreichs sind der strategische Dreh- und Angelpunkt für den Kampf gegen Neoliberalismus, Rassismus und Militarisierung, weil nur so der politische Raum für eine solidarische, demokratische und friedenspolitische Alternative geöffnet werden kann (dh demokratische Regulierung der Güter-, Dienstleistungs-, Kapital- und Arbeitsmärkte; Souveränität in der Fiskal-, Geld-, Währungs-, Industrie-, Außenwirtschafts-, Außen- und Sicherheitspolitik).

Solidarwerkstatt Österreich
(Jänner 2018)

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