siemens euEin kleiner Blick hinter die Kulissen zeigt: Hinter der Einführung des fragwürdigen Überwachungsstromzählers Smart Meter steht beinhartes Polit-Lobbying. Der Industrie winkt ein Bombengeschäft.

 

„Werkzeug für den Markt“

Laut e-control sollen die Smart Meter eingeführt werden, um Energie zu sparen. Peter Birkner, Mitglied im Wirtschaftsrat Deutschland und Technikvorstand beim Frankfurter Versorger Mainova hält das für Unsinn: "Die Energiewende braucht die Smart Meter nicht." (Industrie-Magazin, 21.9.2016). Pilotprojekte der Vorarlberger Kraftwerke bestätigen das. Die Einsparungen waren „mit 0,6 Prozent statistisch nicht signifikant“. Zieht man in Betracht, dass Smart Meter nur einen Bruchteil der Lebensdauer der Ferraris-Zähler haben, fällt eine Gesamtenergiebilanz der digitalen Messgeräte wohl negativ aus.

Das Industrie-Magazin vermutet daher ganz andere Interessen hinter dieser digitalen Strommesstechnologie: „Der eigentliche Grund für die Einführung der Smart Meter im breiten Markt sind neue, flexible Strompreistarife, deren Einführung sich abzeichnet. … Mit den neuen Zählern kann der Stromverbrauch auch bei Kleinkunden minutengenau abgelesen und auch abgerechnet werden. Der Strompreis ändert sich gemäß Tageszeit gemäß einer einfachen Logik: Je stärker die Nachfrage, desto teurer der Strom.“ (Industrie-Magazin, 21.9.2016). Also billiger Strom in der Nacht und teurer „Kochstrom“ am späten Vormittag. Da sich die meisten Haushalte nicht wirklich aussuchen können, wann sie den Strom brauchen, winken für einen Großteil der Haushalte Strompreiserhöhungen - und ein feines Körberlgeld für die Stromkonzerne. Das Industriemagazin kommt daher zum Schluss: „Smart Meter sind kein notwendiger Baustein der Energiewende, sondern ein Werkzeug für den Markt. Zu wessen Nutzen? Eine Antwort auf diese Frage bekommt man in der Branche schnell – aber nur ‚off the records‘. Die eigentlichen Nutznießer sind jene, die am besten aus dem Geschäft aussteigen. Logisch eigentlich.“ (Industriemagazin, 10.6.2013)

Lobbying I: European Smart Metering Industry Group

Die Einführung des Smart Meters sind ein Bombengeschäft für die Industrie. Auf rund 100 Milliarden wird europaweit dieses Geschäft geschätzt, eine Geldquelle, die dank der - im Vergleich zum Ferraris-Zähler - kurzen Lebensdauer der Smart-Meter immer wieder aufs Neue sprudelt. Hinter diesem 100-Milliarden-Geschäft steht beinhartes Polit-Lobbying. Die Smart-Meter-Industrie hat sich in Europa in der European Smart Metering Industry Group (ESMIG) zusammengeschlossen. Auf der Web-Page erklärt diese Lobby-Vereinigung unverblümt, warum Unternehmen bei ihnen Mitglied werden sollen: „Sie erhalten nicht nur Informationen und Analysen von politischen EU-Initiativen, sondern Sie haben auch direkten Einfluss auf den Gesetzesprozess. ESMIG beschäftigt und beeinflusst ständig die politischen Schlüsselakteure aufgrund ihrer vertrauten Beziehungen mit den EU-Institutionen und ihrem aktiven Lobbying“ (sh. Web-Page-Ausschnitt von ESMIG). Auf diese „direkten Einfluss“ ist offensichtlich auch jene EU-Richtlinie zurückzuführen, die die EU-weite Einführung von Smart Metern in zumindest 80% aller Haushalte verbindlich vorschreibt.
Foto Seite 15 smart meter industry group

Lobbying II: Siemens und Kapsch

Für Siemens sind die Smart Meter ein feines Geschäft. Viele Netzbetreiber in Österreich, vor allem in Oberösterreich, Kärnten und Salzburg, bestellen die digitalen Messgeräte bei Siemens. Die Drehtür zwischen österreichischer Spitzenpolitik und Siemens-Management funktioniert bekanntlich bestens. Die eh. SPÖ-Staatssekretärin Brigitte Ederer arbeitete nach ihrer politischen Laufbahn lange Jahre im Siemens Vorstand – nicht zuletzt als Lobbyistin in Sachen Smart-Meter-Technologie: "Siemens ist weltweit eines der wenigen Unternehmen, das die nötige Technologie und das Know-how für Smart Grids aus einer Hand anbieten kann. Siemens Österreich kann mit seinen Kompetenzen auf diesem Gebiet viel zum Erfolg der Smart Grid-Technologien beitragen". Nach dem Abgang von Ederer sitzt nun die frühere Wiener Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely im Siemens-Vorstand. Die Frau von Bundeskanzler Kern, Eveline Steinberger-Kern, war bis 2013 im Siemens-Management, bevor sie sich – siehe da – mit einer Firma ("Blue Mind Company") selbständig machte, die im Smart-Meter-Business Geld verdient. Unter anderem "analysiert" die "Blue Mind Company" die Smart-Meter-Daten "und bereitet diese auf verständliche Weise für Energieversorger und deren Kunden auf" (www.blueminds-company.com). Wohl vor allem für die Energieversorger, damit diese mit "flexiblen Strompreistarifen" Extragewinne einstreifen können. Seit 2015 sitzt Eveline Seinberger-Kern auch im Aufsichtsrat der Energie Burgenland AG.

Ein weiterer Großprofiteur und -lobbyist für die digitalen Messgeräte ist der Elektronikkonzern Kapsch. Kapsch ist in Wien, Vorarlberg und der Steiermark bestens im Smart-Meter-Geschäft verankert und will ausgehend von der „Smart-Meter-Vorreiterrolle Österreichs“ (futurezone, 24.9.2013) auch andere EU-Märkte bei der Stromzählerumstellung erobern. Als Chef der Industriellenvereinigung verfügt Firmenboss Kapsch über exklusiven Zugang zur Spitzenpolitik, der durch Geld- und Sachspenden an die österreichische Parteienlandschaft gepflegt wird.

Österreich will bei der von der EU verordneten Smart-Meter Einführung bekanntlich den Musterschüler spielen. Die EU-Verordnung schreibt vor, 80% der Haushalte mit Smart Meter auszustatten, die österreichische Regierung will mindestens 95% der Haushalte mit den Überwachungszählern zwangsbeglücken. Selbst der nicht gerade überkritische ORF meint dazu: „Das starke Engagement heimischer Firmen in Sachen „Smart Metering“, vor allem Kapsch und Siemens Österreich, trägt wohl ebenfalls zu Österreichs ‚Musterschüler‘-Rolle bei.“ (ORF, 20.1.2014).

Lobbying III: PricewaterhouseCoopers

Die angebliche Energieersparnis durch Smart Meter wird von der e-control mit einer Studie begründet, die bei der deutschen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC) 2010 in Auftrag gegeben wurde. In Auftrag gegeben hat diese Studie der damalige Chef der e-control Walter Bolz. Und wo verdiente Herr Bolz seine Brötchen unmittelbar bevor er bei der e-control anheuerte? Erraten: Bei PricewaterhouseCoopers! Und dort nicht irgendwo, sondern in einer Fachabteilung, welche sich im Bereich von Management Consulting Energy und Utilities intensiv mit allen Fragen von Liberalisierung des Energiemarktes in Österreich beschäftigte. Den umgekehrten Weg ging der Autor der PwC-Studie Erwin Smole. Er arbeitete zuerst bei der e-control (in der Zeit 2001 – 2003 gemeinsam mit Walter Boltz), und wechselte dann als Geschäftsführer zu PwC in Wien, wo er dann von e-control-Chef Boltz mit der besagten Studie beauftragt wurde. Abgerundet wird dieses personelle Interessensgeflecht dadurch, dass PwC selbst vom Smart Meter profitiert. So gibt PwC auf seiner Webpage bekannt, dass das Unternehmen „die Österreichische Regierung bei der Entwicklung der Smart-Meter-Regulation unterstützt.“ Wohl für gutes Geld.

Diese Studie – Gefälligkeitsgutachten wäre wohl angebrachter – hat sich für PwC mehrfach rentiert. Darüber hinaus ist PwC enger Geschäftspartner von Unternehmen, für die die Smart Meter-Technologie ein lukratives Geschäft bedeuten. So ist PwC Wirtschaftsprüfer bei drei deutschen Großkonzernen, die massiv im Smart Meter-Geschäft engagiert sind: den beiden Energieriesen E.ON und RWE und der Deutschen Telekom. Eine Studie von PwC über die Vor- und Nachteile der Smart Meter-Technologie ist wohl ebenso seriös, wie eine Expertise von Philip Morris über die gesundheitlichen Auswirkungen des Rauchens.
(Juni 2017)

Wer die Kampagne "SMART METER - NEIN DANKE!" unterstützen will, kann Informationsblätter und Unterschriftslisten bei der Solidarwerkstatt anfordern: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!.
Nähere Informationen gibt es auch im Dossier "Smart Meter - Nein Danke!"