mueller susiMit künstlich hochgeschaukelten Debatten wie dem Verschleierungsverbot wird von den wirklichen Fragen abgelenkt. Ein Diskussionsbeitrag von Susanne Müller.

 

Vor einiger Zeit herrschte große mediale Aufregung rund um das nun zur Begutachtung vorliegende Integrationsgesetz. Vor allem das darin enthaltene Vollverschleierungsverbot („Burkaverbot“) bzw. das Neutralitätsgebot (keine Kopftücher für Polizistinnen, Richterinnen und Staatsanwältinnen) ließen bei manchen die Emotionen hochkochen. So argumentierten die einen entschieden für das Selbstbestimmungsrecht der muslimischen Frauen, die anderen nicht weniger engagiert für ein neutrales Auftreten von Staatsbediensteten. Beide Argumentationslinien gehören gut durchdacht und nicht vorschnell in eine Schublade gesteckt.

Trotzdem ist unbestreitbar, dass es sich bei dieser Debatte um reinen Politaktionismus handelt. Das „gemeine Volk“ ist beschäftigt und wieder ein Stück mehr auseinanderdividiert und die wirklich politisch, gesellschaftlich, wirtschaftlich und vor allem menschlich relevanten Fragen kommen erst gleich nicht auf´s Tapet. Es wird mit diesen Scheindebatten von mehreren „Baustellen“ massiv abgelenkt. Die erste wäre für mich gleich einmal die, dass der „Islamische Staat“ auch mit österreichischen Waffen kämpft. Natürlich hebt das unser Bruttosozialprodukt und erhält Arbeitsplätze über den Umweg von Waffenlieferungen nach Saudi Arabien, Katar etc. Aber wollen wir das wirklich?

Die nächste „Baustelle“ ist zum Beispiel die, dass sehr wohl bedenklich reaktionäre muslimische Vereine versuchen, in Österreich Einfluss zu gewinnen. Seltsamerweise hört man diesbezüglich von politischer Seite her keine nennenswerten Gesetzesvorlagen. Man beschränkt sich lieber auf ein einfaches „Vollverschleierungsverbot“, das fast ausschließlich unsere sehr gut zahlenden Gäste aus Saudi Arabien etc. betrifft (hat für mich persönlich schon fast wieder „Charme“) und ein Kopftuchverbot, das nicht relevant ist, weil es momentan keine einzige Polizistin, Richterin oder Staatsanwältin gibt, die Kopftuch tragen möchte.

Von den „echten“ Themen lenkt es trotzdem leider ab. Ein großes davon ist für mich z.B. wie Integration gelingen kann. Es gibt schon jetzt Parallelgesellschaften, gerade in Großstädten. Meiner Meinung nach wäre es das Wichtigste, das verbindende Miteinander zu stärken, mit offenem Diskurs und aktiver Bearbeitung der zweifellos existierenden Spannungsfelder. Machen wir uns nichts vor, Flüchtlinge, Ausländer und EU-ArbeitsmigrantInnen leben meist in „problematischen“ Wohnvierteln. Sie leben gemeinsam mit ÖsterreicherInnen, die auch nicht auf die „Butterseite des Lebens“ gefallen sind. Dass es da zu massiven Konflikten kommen kann, ist logisch. Um einer Entsolidarisierung unserer Gesellschaft wirksam entgegenzusteuern, dafür braucht es allerdings öffentliche Mittel und ein Problembewusstsein!

Susanne Müller