RettetDieMur demoEine breite Bewegung wehrt sich in Graz gegen die Zerstörung der Mur durch ein Kraftwerk. Das WERKSTATT-Blatt hat sich mit Clemens Könczöl von der Bürgerinitiative „Rettet die Mur“ unterhalten. 

 WB: Warum lehnt die Bürgerinitiative „Rettet die Mur!“ dieses Kraftwerk ab? 

RettetDieMur Clemens KoenczoelClemens: Leider gibt es sehr viele Gründe, die gegen dieses Projekt sprechen. Dabei wollen wir betonen, dass wir nicht generell gegen den Einsatz von Wasserkraft sind. In Österreich produzieren wir einen großen Anteil unseres Stroms aus Wasserkraft und das ist gut so. Trotzdem ist nicht jedes Wasserkraftwerk an jedem Standort sinnvoll. 

Beispielsweise befindet sich die Mur in einem „guten ökologischen Zustand“, was für einen Fluss dieser Größe beachtlich ist. Noch vor wenigen Jahrzehnten war das anders – der Fluss war durch im Norden eingeleitete Gewässer stark verschmutzt. Durch eine Initiative der Menschen konnte er damals saniert werden, hat sich erholt, bietet sehr gute Wasserqualität, einen einzigartigen Erholungsraum für Menschen und Lebensraum für eine Vielfalt von verschiedenen Tier- und Pflanzenarten. Wir haben in Graz wirklich ein Privileg, so einen Fluss mitten in der Stadt zu haben. Dieses Kraftwerksprojekt würde jedoch nach dem Urteil der Landesbeamten zu einer permanenten ökologischen Verschlechterung führen. Mehr als 95% der relevanten analysierten Fachbereiche (Auswirkungen auf Luft, Klima, Tiere, Stadtbild…) in der UVP wurden mit „nachteiligen Auswirkungen“ bewertet. Man kann hier also keinesfalls von einem nachhaltigen oder für die Stadtentwicklung sinnvollen Projekt sprechen. 

Hier haben wir aber durch den Bau mitten im Stadtgebiet eine besonders sensible Situation: Es geht immerhin um den Lebensraum tausender Menschen. Viele genießen täglich die Freizeit an der Mur. Sie leiden auch an den Folgen der Mega-Baustelle (erhöhte Verkehrs-, Lärm-, und Feinstaubbelastung und Änderung des Grundwasserhaushalts). Über 16.000 Bäume müssen gerodet werden – ein Teil wurde in diesem Winter gefällt – noch einmal so viele oder mehr sollten im Herbst folgen. Gerade in einer wachsenden Stadt wie Graz – in der Feinstaubhochburg Österreichs – ist dies besonders bedenklich. Es handelt sich um einen besonders sensiblen Flussabschnitt, der für den Artenschutz an der Mur essenziell ist. 

Dazu kommt, dass sich dieses Kraftwerk nicht rechnet. Eine Wirtschaftlichkeitsstudie belegt, dass auch nach 50 Jahren Betriebszeit mit einem Minus von über 40 Millionen gerechnet werden muss. Dass sich die Investoren zieren, in dieses Projekt einzusteigen, ist deutlich und spricht Bände. Ausgeglichen wird das Defizit mit Steuergeldern der Bevölkerung. So ist die Stadt beispielsweise gezwungen, einen Kanal-Bau mit über 80 Millionen zu finanzieren. Geld, das an anderer Stelle dringend gebraucht würde. 

Bei diesem großen Eingriff hätte man sich zumindest eine umfassende Information und Mitbestimmung durch die AnrainerInnen erwartet. Das Gegenteil ist der Fall. Werbungen und Fake-News sind die Darstellungen der Betreiber. Eine Volksbefragung wurde den GrazerInnen von den führenden PolitikerInnen gar mehrmals verweigert. Damit ist das Projekt nicht nur unökolgisch und unwirtschaftlich, sondern auch undemokratisch.

Was wir fordern, ist deshalb ein sofortiger Baustopp, eine Nachdenkpause und die Volksbefragung für die GrazerInnen. Es ist unsere Mur und unsere Entscheidung!

WB: Ihr die notwendige Anzahl an Unterschriften für eine Volksbefragung gesammelt. Warum hat die Stadtpolitik diese trotzdem verweigert? 

Clemens: Dieses Projekt ist das größte Bauprojekt der letzten Jahre. Es wird das Stadtbild gravierend verändern und hat massiven direkten Einfluss auf das Leben der GrazerInnen. Allein deshalb muss man die Bevölkerung in die Entscheidung mit einbeziehen. Bürgermeister Nagl hatte eine Befragung bereits 2010 versprochen, dann dieses Versprechen jedoch wieder zurückgezogen. Im Gemeinderat wurde im Juni 2010 ein entsprechender Antrag der Grünen abgelehnt. Im Jahre 2016 dann der Antrag der KPÖ. Wir konnten als Bürgerinitiative mit mehr als 10.000 gültigen Unterschriften rechtmäßig die Befragung beantragen. Von den Juristen der Stadt Graz wurde diese jedoch unter Bürgermeister Nagl den GrazerInnen ein viertes Mal verweigert. Wir haben gegen die Rechtsmeinung Einspruch eingelegt und gehen jetzt gerade den Weg zum Verwaltungsgerichtshof. Zusammenfassend kann man sagen: Die Mitbestimmung der Bürgerinnen und Bürger ist nicht gewollt.  

WB: Was hat sich bisher an Widerstand gegen das Kraftwerk getan? 

Clemens: Die Bürgerinitiative „Rettet die Mur“ gibt es seit 2008. Seit damals ist die Bewegung ständig gewachsen. Heute ist unser Netzwerk so groß wie noch nie. Unser Ziel ist es vor allem, die Menschen in Graz zu informieren und ihnen das Recht auf Mitbestimmung zu geben. Unsere Aktivitäten sind sehr vielfältig. Wir haben während der Umweltverträglichkeitsprüfung Parteienstellung erlangt und Einsprüche erhoben. Auch jetzt laufen noch juristische Verfahren gegen das Projekt. 

Der Großteil unserer Aktivitäten bezieht sich aber auf die Information der Grazerinnen und Grazer. Wir sind mit Aktionen und Infotischen im öffentlichen Raum unterwegs und informieren wo wir können. Auch medial haben wir die Fakten rund um das Kraftwerksprojekt immer wieder aufgezeigt. Ein Personenkomitee aus renommierten Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Umweltschutz und Kultur steht hinter der Plattform, sowie mehr als 20 verschiedene Organisationen und Initiativen. 

Durch den Beginn der Rodungen nicht einmal 24 Stunden nach der Wahl, haben sich auch unabhängige Widerstandsgruppen formiert. Im Laufe der letzten Wochen wurden mehrfach die Bauarbeiten gestoppt. Ein Camp wurde am Murufer auf Höhe der Siedlung „am Langedelwehr“ errichtet. Auch KünstlerInnen engagieren sich mit öffentlichen Aktionen, Foto-Projekten oder Filmen, die zur Aufklärung der Bevölkerung beitragen. Der Widerstand wird von den BürgerInnen der Stadt Graz getragen. Wir alle setzen uns ehrenamtlich ein und wollen vor allem eines – unsere Stadt mitgestalten können und vor diesem zerstörerischen und unsinnigen Projekt bewahren.

WB: Die Rodungen haben bereits begonnen, gibt es noch eine Möglichkeit, das Kraftwerk zu stoppen? Wie können sich die Menschen am Widerstand beteiligen?

Clemens: Es ist nicht zu spät, dieses Kraftwerksprojekt zu stoppen. Die Rodungen waren erst der Anfang der Bauarbeiten. Bereits im Herbst sind weitere großflächige Fällungen in Graz geplant. Die Bauarbeiten werden gerade auf der Olympiawiese fortgesetzt. 

RettetDieMur demoGleichzeitig wächst aber auch der Widerstand gegen dieses zerstörerische Projekt – nicht nur auf der Baustelle. Viele Formen des Protestes sind entstanden. Die Plattform „Rettet die Mur“ veranstaltet am 25. März die nächste große Demonstration in der Innenstadt. Beinahe täglich gibt es Infotische in der Innenstadt, jeden Montag einen Informationsabend für UnterstützerInnen. Eine Vortragsreihe findet auf der Universität Graz statt. Im Forum Stadtpark ist vom 7.-9. April ein Festival zum Thema geplant, bei dem es Diskussionen, Workshops und Filme geben wird. Viele künstlerische Aktionen in Graz sind geplant – vom Flashmob bis zum großen Kultur-Festival an der Mur. Außerdem ist die Volksbefragung weiterhin ein wichtiges Thema für uns. 

So vielfältig wie die Formen des Protests sind auch die Möglichkeiten sich zu beteiligen. Wir laden herzlich ein, die Veranstaltungen zu besuchen und sich jederzeit einzubringen. Erreichbar sind wir auch gerne auf www.rettetdiemur.at und Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!